Lebensraum Wald
Der Wald als Lebensraum der Honigbienen unterliegt in seinem Erscheinungsbild vor allem dem Klima und dem Menschen. Die Wälder waren vor dem menschlichen Einwirkungen über sehr lange Zeiträume durch den Wechsel von Eiszeiten und Warmzeiten geformt. Das Klima bestimmte, welche Baumarten vorrangig vorkamen und wie sie geografisch verbreitet waren.
Mit dem Sesshaft werden begann der Mensch seine Gestaltung und Umgestaltung der Wälder. Eine Nutzung zunächst nur als Waldweide (Hutewald) und später dann als Wirtschaftswald zur Holzgewinnung haben zu unseren heutigen Wäldern geführt. Und die Honigbiene war immer dabei.
Hier am Dillenberg fand der „Umbau“ des Waldes im Mittelalter statt, hier wurden die vorherrschenden Buchen und Eichen als Bauholz für die Cadolzburg und zur Gewinnung von Holzkohle für die Metallverhüttung eingesetzt. Zum Aufforsten wurden dann Kiefern und Fichten ausgewählt, da diese wesentlich schneller erntereif waren als vergleichbare Buchen oder Eichen. In Zeiten des Klimawandels zeigen sich die Probleme, der eigentlichen Bergwaldbäume.
Der Vorfahr unser europäischen Honigbienenrassen, die alle zur Art Apis mellifera (westliche Honigbiene) gehören, wandert vor mindestens 25 Millionen Jahren aus Afrika in Europa ein und verbreiteten sich rasch. An ein stabiles Niederlassen der Bienenpopulation war aber nicht zu denken, die Eiszeiten drängten die Bienen immer wieder nach Südeuropa, von wo aus sie dann dem rückweichenden Eispanzer wieder nach Norden folgten.
Gegen Kälte hilft Wärme. Fliegende Insekten wie die Honigbienen besitzen mit ihrer Flugmuskulatur, mit der ihr flügel- und beitragender Körperabschnitt, der Brustteil, randvoll gepackt ist, eine perfekte wärmeerzeugende „Maschine“. Diese Wärmequelle wird bei allen Honigbienenarten, also auch bei solchen, die in subtropischen und tropischen Regionen leben, eingesetzt, um das Puppenstadium im Brutnest zu wärmen. Darin besteht einer der genialen kniffe der Natur: Ist eine „Erfindung“ erst einmal gemacht, wird sie oft in weiteren, ganz anderen Zusammenhängen eingesetzt.
So auch in der Erzeugung von Wärme als „Heizung“ vor allem in der kalten Jahreszeit. Diese gemeinschaftlich betriebene Wärmeerzeugung ist die Voraussetzung dafür, dass die Bienenvölker alle Jahreszeiten überstehen können – anders als Wespen oder Hummeln, bei denen das gesamte Fußvolk vor dem Winter stirbt und lediglich begattete Jungköniginnen kältestarr, aber frostfrei verborgen auf das Frühjahr warten.
Würden die Honigbienen in unseren Breiten ihre Waben im Freien bauen, würden ihre Energievorräte in Form des Honigs nicht ausreichen, um über etliche Wochen gegen Temperaturen unter dem Gefrierpunkt anzuheizen. Die Bienen würden den Winter nicht überleben.
Hier kommt der Wald ins Spiel:
Hohle Bäume bieten die perfekte Wohnwelt für Honigbienen.
Sie schützen sie nach außen gegen Bären, für die Honig ein unwiderstehliches Ziel darstellt. Lässt man Bienen zwischen unterschiedlich hoch angebrachten, künstlichen Nistkästen wählen, entscheiden sie sich bevorzugt für eine Behausung, die etwas sechs Meter über dem Erdboden liegt. Diese Höhe bedeutet für Bären auf Honigsuche eine massive Herausforderung und damit für die Bienenkolonie relative Sicherheit. Höhlungen in Bäumen eröffnen zudem nach innen eine eigene Welt. In ihnen bildet sich ein Klima, das dann von den Bienen noch überformt und stabilisiert werden kann, ein Ökosystem, das die Bienen mit einer Unzahl weiterer Lebewesen vergesellschaftet.
Da am Dillenberg die passenden Bäume leider bisher nicht oder nur sehr spärlich vorhanden sind, wurden auf mehreren Flächen Zeidler-Bäume (Klotzbeuten) aufgestellt. Die Gefahr von freilaufenden Bären ist aktuell am Dillenberg nicht gegeben. Trotzdem bieten sie im Vergleich zu natürlichen Baumhöhlen deutliche abweichende Bedingungen.
Ein Gesunder Wald bietet von Frühjahr bis Herbst kontinuierlich ein Angebot an den Pflanzenprodukten, die eine Bienenkolonie für das Überleben und die Vermehrung benötigt. Anders im offenen Land, wo durch eine immer intensiver betriebene moderne Landwirtschaft das Trachtangebot, also all das, was die Bienen an Nahrung in den Stock eintragen können, immer einseitiger wird, wenn es überhaupt vorhanden ist. Das Bienenvölker im Sommer verhungern können, ist eine der unschönen Folgen dieser Entwicklung.
Entnommen aus
„Honigbienen – Geheimnisvolle Waldbewohner“ Ingo Arndt * Jürgen Tautz