Waldhonig
Das erste, das einem zur Beziehung von Bienen und Wald einfällt, ist wohl der Begriff „Waldhonig“. Dabei stammt der Waldhonig nicht von Blüten. Seine Basis ist vielmehr die Ausscheidungen von Blatt- und Schildläusen, was allerdings weit weniger unappetitlich ist, als es sich zunächst anhört.
Bäume entnehmen dem Boden Wasser und Mineralien, die über feinste Röhrchen bis zu den höchsten Blättern transportiert werden. Dort entsteht aus den hochgeschafften Bestandteilen und Kohlendioxid, das aus der Atmosphäre aufgenommen wird, im Prozess der Fotosynthese Glukose. Die so gebildete wässrige Traubenzuckerlösung wandert dicht unterhalb der Baumrinde in sogenannten Siebröhren zu Bereichen der Pflanze, in denen der Zucker als Rohmaterial zum Umbau in Zellulose, Stärke und vieles mehr benötigt wird.
Auf diese höchst wertvollen Miniaturströme haben es kleine Nutznießer abgesehen, die Blattläuse. Sie schaffen es, ihre zu Saugrüsseln ausgebildeten Mundwerkzeuge gezielt in diese feinen Röhrchen zu versenken. Dabei sind sie aber weniger hinter dem Zucker her, als vielmehr hinter Aminosäuren, die sie für ihren Stoffwechsel benötigen.
Aber wohin mit all dem Zucker, den sie mit aufnehmen?
Der Körperbau der Blattläuse ist darauf eingerichtet, das aufgesaugte, aber nicht benötigte Material als klare Zuckerlösung über spezielle Ausführgänge am Hinterleib abzuscheiden.
Dieser sogenannte Honigtau steht bei den staatenbildenden Insekten des Waldes extrem hoch im Kurs. Am intensivsten ist die Beziehung der Blattläuse zu Ameisen. Letztere betasten, oder vielmehr betrillern, mit ihren Fühlern den Hinterleib der Blattläuse, die daraufhin den Honigtau abscheiden und so regelrecht gemolken werden. Diese Quelle ist für Ameisenkolonien derart wichtig, dass sie sich um die Blattlausansammlungen kümmern. Sie vertreiben Fressfeinde wie andere Insektenarten, Spinnen oder sogar Vögel.
Von dieser Symbiose profitieren wiederum die Honigbienen. Der Honigtau kann auf Nadeln und Blättern dicke, klebrige Überzüge bilden, die von den Bienen abgesammelt und im Honigmagen ins Nest transportiert werden. Eine Vielzahl an Blattlausarten finden sich als jeweilige Spezialisten auf Nadel- und Laubbäumen. Die Verfügbarkeit von Honigtau ist dabei räumlich und zeitlich nicht so zuverlässig wie das Auftreten von Nektar, der von der Blütezeit abhängt.
Aber Honigtau ist nicht die einzige Futterquelle für Bienen im Wald.
Farne gab es in den Wäldern bereits lange vor dem Auftreten der ersten Blütenpflanzen. Auch am Dillenberg sind eine Vielzahl unterschiedlicher Farnarten vorhanden. Unter Anderem der Adlerfarn, der teilweise über 2 Meter hoch wächst. Weitere Arten finden sich in der Nähe des Druidenstein Denkmals. Nicht selten lässt sich beobachten, dass Honigbienen sich offenbar schwer beladen in langsamen Flug aus einem Farnbestand erheben. Dort haben sie Nektar in seiner ursprünglichsten Erscheinungsform gesammelt. Bestimmte drüsige Gewebebereiche, die über die ganze Pflanze verstreut auftreten können scheiden Nektar ab. Dies ist bei Farnen eindeutig nicht zur Anlockung von Bestäuber Insekten gedacht, denn Farne haben keine Blüten, die bestäubt werden müssten.
Bei höherentwickelten Blütenpflanzen, die auf Bestäuber-Insekten angewiesen sind, konzentrieren sich die nektarbildenden Zellen auf die Blüten. Bei Wildformen von Obstgehölzen kommen die Honigbienen also beim Blütenbesuch auf ihre Kosten.
Daher ist der Umbau zu einem artenreichen Mischwald essentiell, um Bienen in Ihrem ursprünglichen Lebensraum wieder eine Heimat bieten zu können.
Weiterführend Informationen sind hier abrufbar:
"Geniestreich der Evolution" von Jürgen Tautz aus dem Rotary Magazin 8/2024