Die Waldameise
Das Leben der Waldameisen verläuft weitgehend unauffällig. Man bemerkt dieses stille Helferheer in der Regel nur an ihren großen Nestern oder dann, wenn sie auf Nahrungssuche ein Picknick entdeckt haben und den Menschen in Scharen belästigen.

Ihre überragende Bedeutung für ihren Lebensraum erschließt sich erst bei genauerer Betrachtung. Waldameisenkolonien sind ökologische »Multitasker«.
Besonders groß war die Freude der Entdeckung der roten Waldameise am Druidenranken, die den Bienen scheinbar gefolgt sind und sich hier angesiedelt haben.
Viele andere Insektenarten beseitigen ebenfalls tote Tiere und agieren damit als Gesundheitspolizei. Sie bestäuben auch Blütenpflanzen, verbreiten Pflanzensamen, jagen als Schädlingsbekämpfer andere Insekten wie die Raupen bestimmter Schmetterlingsarten, die der Vegetation des Waldes Schaden zufügen, graben und durchlüften den Boden oder sammeln den Honigtau der Blattläuse von der Oberfläche von Blättern und verhindern so einen möglichen Pilzbefall der Pflanzen.
Die Waldameisen aber versammeln all diese nützlichen Tätigkeiten in einer Hand – oder vielmehr in Millionen von Beinen und Mandibeln.
Die riesigen Mengen an Nadeln, die sie zur Errichtung des Nesthügels zusammenschleppen, tragen dazu bei, dass mehr fruchtbarer Boden entsteht. Denn so dünnt sich die Nadeldecke in der Nestumgebung aus, was die biologische Aktivität bodenverarbeitender Kleinstlebewesen bis hin zu Regenwürmern erleichtert. Damit fördern die Aktivitäten der Waldameisen die Entwicklung zahlreicher Pflanzen- und Tierarten.
Das betrifft sowohl den Artenreichtum als auch wie die Widerstandsfähigkeit aller gegenüber Krankheiten. Gewaltige Populationsausbrüche von Schadinsekten des Waldes sind Indiz für nicht ausbalancierte Beziehungen innerhalb der natürlichen Netzwerke der Lebewesen. Die massive Räubertätigkeit der Waldameisen, die enorme Mengen an Insekten erbeuten, ist ein entscheidender Regulationsfaktor, der solche Massenvermehrungen von vorneherein erschwert oder vollständig unterbinden kann. Mit ihrer Biomasse sind Waldameisen in all ihren Entwicklungsstadien wiederum selbst eine sehr wichtige Nahrungsquelle für viele andere Waldbewohner.
Es ist nicht überraschend, dass alles, was den aktuell zu beobachtenden Niedergang der Insekten verursacht, auch den Waldameisen schadet. Hinzu kommen ganz spezifische, unsere heimischen Wälder betreffende Entwicklungen. Wirtschaftswälder, aufgebaut aus nur einer einzigen Baumart, hier am Dillenberg der Kiefer, angepflanzt in Reih und Glied, bilden höchst artenarme Biotope. Der Klimawandel hat mit dem massenhaften Sterben solcher Wälder rasch und deutlich vor Augen geführt, wie anfällig sie sind. Ein artenreiches, vielfältiges Waldbiotop ist dagegen stabil und belastbar. Die Anpflanzungen im Arboretum FlohriX und am Druidenstein legen den Grundstein hierfür.
Den Pflanzen folgen die entsprechenden Tiere – darunter auch die Waldameisen, wie sich am Druidenranken zeigt.
Die ökologische Bedeutung der Waldameisen hat den Gesetzgeber dazu veranlasst, strenge Schutzvorschriften einzuführen, die die gedankenlose wie absichtliche Gefährdung und Zerstörung von Kolonien verhindern sollen. Um positive Entwicklungen, die ansonsten viele Jahre in Anspruch nehmen können, zu beschleunigen, werden neben dem Schutz bestehender Kolonien auch Umsiedlungen durchgeführt, wenn durch Straßenbau und anderes Nester bedroht sind. All dies zeigt, welche überragende ökologische Bedeutung Waldameisen zuerkannt wird – und dies schon seit langem. Denn bereits seit über 200 Jahren gibt es Vorschriften zum Schutz hügelbauender Waldameisen. Heute kommt in diesem Zusammenhang bei uns der Deutschen Ameisenschutzwarte e. V. eine Bedeutung auch für die Allgemeinheit zu, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
Unterstützen wir die Waldameisen, indem wir ihren Lebensraum erhalten oder ihn, wo er bereits verloren ist, neu erschaffen! Dabei ist der Nutzen auch für uns Menschen und unser aller Zukunft größer, als die meisten von uns ahnen.
Entnommen aus:
Ingo Arndt, Jürgen Tautz: Waldameisen - „Superheldinnen auf sechs Beinen“