Eine Chance für die Zukunft der Imkerei?
Das Aufblühen der Imkerei brachte aber die Zeidler nicht komplett zum Verschwinden. Insbesondere in Osteuropa wird diese Art der Bienennutzung noch immer praktiziert. Dabei verlautbarten Zeidler bis heute nie ähnliche Katastrophenmeldungen über ein Bienensterben wie die Imker. Woran mag das liegen?
Zeidler verzichten bei ihren Bienenvölkern auf jegliche Eingriffe, abgesehen von der Honigernte.
Sie lassen im Wald, dem angestammten Bienenhabitat, der Natur ihren Lauf.
Die Bienenvölker leben in künstlich angelegten Baumhöhlen, deren Eigenschaften natürlichen Hohlräumen in Bäumen sehr viel näherkommen als die Beuten der Imker. Die Zeidler besiedeln die von ihnen geschaffenen Baumhöhlen nicht aktiv mit Bienen, sondern Bienenschwärme entdecken und beziehen diese Wohnmöglichkeiten von sich aus. In den künstlichen Baumhöhlen entwickelt sich im Laufe de Zeit ein ähnliches Miniatur-Ökosystem wie in einer bienenbewohnten Spechthöhle. Die Bienenvölker vermehren sich durch Schwärmen, und sie unterliegen der natürlichen Selektion. Der Zeidler ergreift keinerlei Maßnahmen gegen Bienenkrankheiten und -parasiten.
All das, zusammen mit den wachsenden Problemen rund um die Honigbienen in der Imkerei, führt zu einem neuen Interesse an der alten Zeidlerei. Sogar noch weiter gehend, zu einem verstärkten Interesse an wild lebenden Bienenvölkern in unseren Wäldern ganz allgemein.
Die dadurch ausgelösten Studien haben einige Überraschungen hervorgebracht. Es gibt noch wild lebende Bienenvölker in Baumhöhlen, und es gibt sie häufiger, als man es für möglich gehalten hat. So fanden Forscher in unbewirtschafteten Buchenwäldern eine Dichte von einer bienenbesiedelten Spechthöhle pro fünf Quadratkilometer. Studien von Thomas Seeley, einem Pionier in der modernen Erforschung der wild lebenden Bienenvölkern, haben eine sogar noch höhere Dichte ergeben. Im Arnot Forest im Staat New York fand er etwa einen bewohnten Bienenbaum pro Quadratkilometer. Seeley stellte außerdem fest, dass diese freilebenden Bienenvölker keineswegs von einem Befall mit der parasitischen Varroamilbe verschont bleiben, aber anders als Bienenvölker in Imkerhand mit diesem Problem leben können.
Genetische Studien, die Thomas Seeley und Kollegen an wild lebenden beziehungsweise be-imkerten Bienenvölkern durchgeführt haben, ergaben deutliche genetische Unterschiede zwischen den Völkern, dies obwohl sie in der gleichen Region leben. Das lässt als Erklärung für die Koexistenz von Bienen und Milben den Schluss zu, dass die natürliche Selektion die untersuchte Population baumhöhlenbewohnender, nicht be-imkerten Bienenvölker sich an ein Leben und Überleben mit der Varroamilbe angepasst haben.
Es besteht also Hoffnung, wird aber sicherlich noch ein weiter Weg sein, um eine stabile Population an wild lebende Honigbienen in unseren Wäldern, wie hier am Dillenberg, mit all ihren positiven Nebenwirkungen in Zukunft antreffen zu können.